Prävention im Maßregelvollzug ein wichtiges Arbeitsfeld

Eine Fachtagung in Andernach beschäftigte sich mit Thema „(Sexuelle) Gewalt und ihre Opfer“. Auf dem Bild zu sehen ist das Direktorium der Klinik Nette-Gut mit Pflegedirektor Andreas Emmerich, dem Ärztlichen Direktor Dr. Frank Goldbeck (v. l.) und Administrator Peter Blum (rechts) freuten sich gemeinsam mit Dr. Gerald Gaß (Geschäftsführer Landeskrankenhaus, Mitte) und Dr. Alexander Wilhelm (2. V. r.) über den Zuspruch. Foto: Landeskrankenhaus, Pape

Andernach. 150 Teilnehmer aus mehr als 50 Einrichtungen aus ganz Deutschland diskutierten bei den 16. Forensiktagen der Klinik Nette-Gut zwei Tage lang zum Themenfeld „(Sexuelle) Gewalt und ihre Opfer“. Dabei ging es auch um Prävention, denn, was kaum bekannt ist: „Auch die Präventionsarbeit ist einer der gesellschaftlichen Aufträge an den Maßregelvollzug. Fachleute aus der Klinik Nette-Gut in Weißenthurm arbeiten deshalb seit jeher intensiv präventiv mit anderen Einrichtungen zusammen“, erklärte der Ärztliche Direktor der Klinik Nette-Gut, Dr. Frank Goldbeck. Es werde viel getan, um vorbeugend zu wirken. Die Arbeit helfe, die Rate der Straftaten zu reduzieren.

Präventiv arbeitet auch Max Weber. Weber war einer der Referenten der Tagung. Er ist pädophil. Eine Straftat hat er nie begangen. Er hat stattdessen eine Therapie absolviert, um mit seiner Neigung leben, um sie kontrollieren zu können. Sein Vortrag zu seinen eigenen Erfahrungen, der Mut über sich zu sprechen, sorgten beim Fachpublikum für große Anerkennung. Weber betreibt eine Internetplattform, die sich mit der Krankheit Pädophilie und der Herausforderung beschäftigt, kein Täter zu werden. Sie ist eine virtuelle Anlaufstelle für pädophile Männer und Frauen – ein „Erste-Hilfe-Koffer“, wie Weber es beschreibt.

Die Forensiktage setzten sich mit essenziellen Fragen zum Themenfeld auseinander. Es ging um Möglichkeiten für Menschen, die nicht erneut zum Täter werden wollen, um den Umgang mit Opfern sexueller Gewalt während eines Strafverfahrens und um Therapien für Gewaltstraftäter. Die Tagung befasste sich zudem mit verschiedenen Aspekten von Gewalttätigkeit und Gewaltstraftaten. Aus der Forensischen Präventionsambulanz Asbach wurde ein Modellprojekt zur Behandlung psychisch kranker Menschen mit besonders hohem Gewaltrisiko vorgestellt, dessen Ziel die Verhinderung von Gewaltstraftaten ist. Ebenfalls praxisnah war der Vortrag zu Zielen, Methoden und Strukturen des Systemischen Anti-Gewalt-Trainings, einer spezifisch an (sexuelle) Gewaltstraftäter und gewaltaffine Menschen gerichtete Behandlungsmethode im Maßregelvollzug.

Für Dr. Gerald Gaß, Geschäftsführer des Landeskrankenhauses (AöR), war klar: „Das Schwerpunktthema der Forensiktage betrifft sicherlich eine ganz besondere Gruppe, die wir betreuen.“ Neben der Eruierung therapeutischer Möglichkeiten, der sehr bedeutsamen Risikoeinschätzung und der Einschätzung von Präventionsmöglichkeiten sei die Reintegration „eine ganz schwierige und besondere Aufgabe“, die eine „besondere Herausforderung“ darstelle. Umso wichtiger, so Gaß, sei es, offen damit umzugehen.

Der Anteil psychisch Kranker an Gewaltkriminalität sei gering, sagte Dr. Alexander Wilhelm, Vorsitzender des Aufsichtsrates des Landeskrankenhauses und Staatsekretär im Sozialministerium. Das dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eine „kleine Sub-Gruppe“ von psychisch kranken Menschen gebe, die Gewaltstraftaten ausüben könne. Daher gebe es Präventionsangebote des Landes Rheinland-Pfalz – wichtig sei für Teilnehmende ein Problembewusstsein, dass sie dazu bringe, von sich aus Hilfe in Anspruch zu nehmen. Beispielhaft nannte Wilhelm das Präventionsprojekt Dunkelfeld in Mainz. Das Land finanziere das Projekt mit, denn, so der Staatssekretär, es sei auch ein „Beitrag zum vorbeugenden Opferschutz“.

Die Forensiktage dienten auch dazu, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass man sich mit dem schwierigen Thema (sexuelle) Gewalt intensiv auseinandersetzt. Die Skepsis, die die Fachleute erreicht, fasste Dr. Frank Goldbeck zusammen: „Viele denken, wir werden erst tätig, wenn es bereits zu spät ist. Der zweite Vorwurf lautet, man denke nie an die Opfer. Das ist nicht der Fall.“ Der Ärztliche Direktor kritisierte, dass Diskussionen oft eindimensional verlaufen, hoch emotional und nicht immer an Fakten orientiert sind. „Die Forensiktage beweisen, dass Prävention von Gewaltstraftaten und sexuellen Gewaltstraftaten möglich ist“, stellte Goldbeck fest.